--- [Archive] Day of Humanities / Tag der Geisteswissenschaften 13 October 2023 ---
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Die Freiheit im Denken Kants
Im öffentlichen Diskurs gibt es eine gewisse Tendenz Regellosigkeit mit Freiheit zu assoziieren. Zugespitzt könnte diese Tendenz mit den Worten ausgedrückt werden: Freiheit bedeutet tun zu können, was einem beliebt.
Ob dieses Verständnis von Freiheit adäquat ist, möchte ich meinem Vortrag prüfen. Hierfür differenziere ich auf der Grundlage der Philosophie Immanuel Kants drei Freiheitsbegriffe und kläre deren systematischen Zusammenhang.
Sven Ender ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Herrn Prof. Dr. Dirk Hartmann am Institut für Philosophie an der Universität Duisburg-Essen und Lehrbeauftragter für Ethik an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW. Er arbeitet zu den Gebieten der philosophischen Logik und der praktischen Philosophie des deutschen Idealismus.
Vom Schreibtisch in die Welt ‒ mit der UB zur Diss-Veröffentlichung
Das Ziel ist zum Greifen nah, die Dissertation fertig, aber wie geht es jetzt weiter? Welche Rechte haben Autor:innen? Wo und wie soll es publiziert werden? Im Verlag oder/und Open Access? Und warum muss die Dissertation veröffentlicht werden? In diesem Vortrag erhalten Sie einen Überblick über das Urheberrecht, Nutzungs- und Verwertungsrechte, und erfahren, wie Sie mit Lizenzen Nutzungsrechte an Ihren Veröffentlichungen einräumen können. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Dissertationen.
Dorothee Graf arbeitet an der UB Duisburg-Essen als Fachreferentin für Germanistik und Deutsch als Zweitsprache, Kunst und Design. Sie hat Deutsch und Englisch studiert und ist nach Praktika in Verlagen über das Referendariat in Bibliotheken im Jahr 2000 an die UB Duisburg-Essen gekommen. Vor einigen Jahren ist sie durch das Thema Open Access zurück ins Publikationswesen eingestiegen und arbeitet jetzt in der Publikationsunterstützung für Autor:Innen, dazu gehört auch die Verwaltung des Fonds zur Förderung von Open-Access-Monografien. Außerdem leitet sie inzwischen das dritte Drittmittelprojekt im Bereich der Open-Access-Förderung und -Entwicklung.
Claudia Hinze arbeitet an der UB Duisburg- Essen als Leitung und Koordinatorin der Dissertationsstellen an der UDE. Sie arbeitet seit 1988 an der UB in wechselnden Abteilungen. Nach einer Bachelor-Qualifizierung übernahm sie 2017 die Dissertationsstelle in Duisburg. Seit 2018 betreut sie die Dissertationsstelle in Essen und leitet und koordiniert die Tätigkeiten der drei Dissertationsstellen der Bibliothek. Im Rahmen des Publication Days und der Herbstakademie der UA Ruhr bietet sie mit anderen Kolleg:innen regelmäßig Workshops zum Publizieren von Dissertationen an.
Digitale Bildung in der Lehrkräftebildung des Sachunterrichts ‒ eine multiperspektivische Diffusionsuntersuchung
Die Einbettung digitaler Medien in die universitäre Lehrkräftebildung erhielt – insbesondere vor dem Hintergrund einer weltweiten Pandemie – einen deutlichen Bedeutungsschub. Es wurden finanzielle Ressourcen für technische Infrastruktur zur Verfügung gestellt, Konzepte zur Einbettung geschrieben und Teile der Lehre in den digitalen Raum verschoben.
Doch inwieweit wurde die digitale Bildung als Zusammenspiel aus medienbildenden und informatischen Anteilen in die universitäre Hochschullehre implementiert?
Dieser Frage soll mittels einer Diffusionsstudie begegnet werden (Gary Meyer, 'Diffusion Methodology: Time to Innovate?', Journal of Health Communication, 9.sup1 (2004), 59–69 https://doi.org/10.1080/10810730490271539.), die als Mixed-Methods-Design in drei Schritten konzipiert wurde. In einem ersten Schritt werden die Modulhandbücher für den Sachunterricht an 37 lehrkräftebildenden Hochschulen und die Lehrpläne für das Fach Sachunterricht der 16 Bundesländer hinsichtlich der Facetten digitaler Bildung untersucht, um die organisationale Zielstellung des schulischen Unterrichts sowie der Lehrkräftebildung als Vorbereitung auf diesen zu untersuchen.
Anschließend wurde eine quantitative Untersuchung zur Wahrnehmung der Einbettung, Förderung sowie Kompetenzselbsteinschätzung digitalisierungsbezogener Kompetenzen angehender Sachunterrichtslehrkräfte am Institut für Sachunterricht der Universität Duisburg-Essen untersucht und diese Ergebnisse mit einer qualitativen Untersuchung zur Sicht der Lehrenden kontrastiert.
Zusätzlich wurde eine quantitative Diffusionsstudie mit Lehrenden im Bereich Sachunterricht an unterschiedlichen Hochschulen durchgeführt, um die Wahrnehmung der digitalen Bildung sowie die Adoptionsentscheidung für die eigenen Lehre zu untersuchen. Aus diesen unterschiedlichen Teilstudien kann im Rahmen der Diffusionsstudie die Einbettung digitaler Bildung sowie die Einbettungsbereitschaft der einzelnen Lehrenden an den jeweiligen Hochschulen abgeleitet werden.
Jan Grey ist seit 2020 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sachunterricht im Studiengangsentwicklungsprojekt Professionalisierung angehender Sachunterrichtslehrkräfte in einer digitalen Welt (ProSUdi). Sein Forschungsschwerpunkt ist die Einbettung der Digitalität in die Lehrkräftebildung sowie in den Sachunterricht. Im Zuge seiner Promotion versucht er Gelingensbedingungen und Diffusionsfaktoren digitaler Bildung in die universitäre Lehrkräftebildung zu modellieren. Hierfür nutzt er eine Mixed-Methods-Diffusionsstudie, um die unterschiedlichen Facetten der Einbettung digitaler Bildung in Bildungsorganisationen nachzuzeichnen.
Words of War ‒ Exploring Irish and Scottish Private War Correspondence
The study of ego-documents, such as diaries or letters, has become a staple of linguistic investigation in recent years, recognising their vital role in tracing language history 'from below'. Nevertheless, with a few exceptions (Helmers 2016, Housiel 2014, Sandersen 2007), war correspondence is a domain surprisingly neglected in linguistic research. In recent years, ongoing digitisation projects have made some of the two billion letters delivered by the British Army Postal Service during the First World War available for linguistic analysis.
Based on a sample corpus of Irish and Scottish correspondence from the First World War, this explorative case study focusses on letters by people involved in the war. In particular, the aim of the analysis is to demonstrate the manifold ways in which the experience and possibility of death and its consequences to people at the front and at home are conveyed. The qualitative research will put special emphasis on the discursive construction of this taboo subject. Linguistic strategies range from identity construction (Tajfel 1982; Tajfel and Turner 1986) and mitigation strategies (Allan and Burridge 2006), to the use of directives and commissives (Searle 1976) and in-group expressions (Benwell & Stokoe 2006).
In summary, this study offers an insight into a range of idiosyncratic communicative practices in a context of emotional distress as illustrated in personal war correspondence.
References:
Allan, Keith, and Kate Burridge. 2006. Forbidden Words: Taboo and the Censoring of Language. Cambridge: Cambridge University Press.
Benwell, Bethan and Elizabeth Stokoe 2006. Discourse and identity. Edinburgh: Edinburgh University Press
Declercq, Christophe and Julian Walker (eds) 2016. Languages and the First World War: Representation and Memory. Basingstoke: Palgrave Macmillan.
Helmers, Marguerite 2016. 'Out of the Trenches: The Rhetoric of Letters from the Western Front', in Declercq, Christophe and Julian Walker (eds), pp. 54-72.
Housiel, Sylvie 2014. Dire la guerre : le discours épistolaire des combattants français de 14-18. Limoges : Lambert-Lucas.
Sandersen, Vibeke 2007. 'Writing ability and the written language of Danish private soldiers in the Three Year's War (1848–50)'. Multilingua-journal of Cross-cultural and Interlanguage Communication. 26. 247-278. 10.1515/MULTI.2007.012.
Searle, John R. 1976. 'A Taxonomy of Illocutionary Acts'. Minnesota Studies in the Philosophy of Science. Vol. 6. Reprint. 1-19.)
Tajfel, Henri. 1982. Social Identity and Intergroup Relations. Cambridge: Cambridge Univ. Press.
Tajfel, Henri and Turner, J.C. 1986. 'The Social Identity Theory of Intergroup Behavior.' In: Worchel, S. and Austin, W.G., Eds., Psychology of Intergroup Relation, Hall Publishers, Chicago, 7-24.
Frauke Milne ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Linguistik der Anglophonen Studien. In ihrem Dissertationsprojekt beschäftigt sie sich mit irischen und schottischen Briefen aus dem ersten Weltkrieg und der diskursiven Konstruktion von Krieg und Identität. Zu Ihren Forschungsinteressen zählen neben Kriegskorrespondenz und Propaganda auch Englisch in Irland und Schottland, Sprache und Ideologie sowie Linguistic Landscapes. Darüber hinaus ist Frau Milne im Innovationsprojekt "PITCH" ("Prüfungen innovieren, Transfer schaffen, Chancengerechtigkeit fördern") tätig. Ziel dieses interdisziplinären Projektes ist es zur Erschließung der Potenziale digitaler Prüfungen im Sinne einer neuen Prüfungskultur beizutragen.
Liken, Kommentieren, Teilen ‒ Wann reagieren Nutzer auf Unternehmenskommunikation in Sozialen Netzwerken?
Soziale Netzwerke gelten als Instrumente der medialen Massenkommunikation. So erreicht Facebook mit derzeit knapp 3 Milliarden monatlich aktiven Nutzern sowie 80 Millionen Unternehmensprofilen nach wie vor eine beeindruckende Reichweite. Verantwortliche in Unternehmen stellen sich jedoch die Frage, wie diese Ressourcen im Rahmen ihrer Unternehmenskommunikation auf Social Media erfolgreich genutzt wer-den können und welche Aspekte und kommunikativen Ressourcen eine erfolgversprechende Unternehmenskommunikation auf Facebook ermöglichen.
Die dem Vortrag zugrundeliegende Arbeit stützt sich dabei auf das wirtschaftswissenschaftliche Konzept des Customer Engagements, welches als kundenzentrierter Ansatz die Einflussfaktoren untersucht, die ein Individuum zur Interaktion mit von Unter-nehmen auf Social Media bereitgestellten Inhalten motiviert. Die Gestaltung der Inhalte wiederum hängt einerseits ab von den multimedialen Möglichkeiten der Plattformen, wie die Verwendung von Text- Bild, oder Videomaterial. Andererseits üben aber auch interaktivitätsfördernde Elemente, die thematische Ausrichtung der Beiträge, die Beitragsstrategie, sowie nicht zuletzt die Besonderheiten schriftlicher, internetbasierter Kommunikation in Sozialen Medien einen Einfluss auf das Engagement der Nutzer aus.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde sich eines Methodenmix aus qualitativen und quantitativen Verfahren der empirischen Sozialforschung bedient. Abschluss bildete eine Feldstudie, bei der 873 Posts von 113 kleinen und mittelständigen Unter-nehmen inhaltsanalytisch überprüft und bezüglich des Engagements der Nutzer differenziert in Form von Likes, Comments und Shares statistisch ausgewertet wurden. Hierbei konnten signifikante Zusammenhänge bei verschiedenen Faktoren festgestellt werden.
Der Vortrag zum Tag der Geisteswissenschaften 2023 stellt Hintergrund und methodische Herangehensweise vor und diskutiert die Ergebnisse der Arbeit. Zudem wird sich mit Implikationen für die Forschung und Handlungsempfehlungen für Unternehmen auseinandergesetzt.
Malte Wattenberg hat Wirtschaft (M.A.) studiert und ist seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Denkfabrik Digitalisierte Arbeitswelt an der Hochschule Bielefeld im Kontext verschiedener Projekte. Dabei beschäftigt er sich vorrangig mit den Auswirkungen der Digitalisierung, insbesondere Künstliche Intelligenz, auf die Arbeitswelt und damit einhergehenden arbeitswissenschaftlichen Gestaltungsfragen. Das Lehrportfolio von Herrn Wattenberg umfasst die Themengebiete der Kommunikations- und Managementkompetenzen sowie der Wirtschaftsinformatik. Überdies promoviert Herr Wattenberg zum Thema Customer Engagement auf Social Media an der UDE.
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Indirekte Übersetzungskultur der Frühen Neuzeit: Niederländisch als Intermediärsprache für Übersetzungen ins Deutsche Indirekte Übersetzungen stellen während der Frühen Neuzeit eine wesentliche Form des sprachlichen Transfers zwischen Sprachen, Ländern und Kulturen Europas dar. Bezogen auf ins Deutsche übersetzte Schriften sind es vor allem Französisch, Latein, Niederländisch und Italienisch, die den Hauptteil aller indirekten Übersetzungen abdecken. Trotz des häufigen Vorkommens indirekter Übersetzungen in der Frühen Neuzeit halten sich konkrete Forschungen zu dieser Übersetzungsform bislang in Grenzen: Die Frage nach den Positionen, Funktionen und zahlenmäßigen Anteilen der betroffenen Sprachen, deren Beantwortung aufschlussreiche Erkenntnisse über kulturelle und sprachliche Transferwege und -netze verspricht, hat die Forschung bisher nicht beschäftigt. Bislang ist nur die Bedeutung des Französischen als Intermediärsprache für Übersetzungen ins Deutsche beschrieben, allerdings vor allem in Bezug auf das 18. Jahrhundert. Andere europäischen Vernakularsprachen wurden bisher außer Acht gelassen.
So verhält es sich auch mit dem Niederländischen als Intermediärsprache, obwohl bereits in einigen Untersuchungen auch auf die überragende Bedeutung des Niederländischen als Intermediärsprache für insbesondere englische Erbauungsliteratur, aber auch für Flugschriften hingewiesen wurde. Eine exakte Bestandaufnahme für Übersetzungen mit Niederländischen als Mittlersprache fehlt völlig. Im Rahmen meines Dissertationsprojektes soll diese Forschungslücke geschlossen werden und eine möglichst ausführliche Bestandsaufnahme der im 17. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erschienen indirekten Übersetzungen über das Niederländische ins Deutsche erstellt werden. Dabei werden zunächst allgemein Übersetzungen über das Niederländische ins Deutsche ermittelt, u.a. über digitale Datenbanken wie das VD17 und der Heidelberger Übersetzungsbibliographie, eine umfassende Analyse erfolgt für englische Ausgangstexte. Die Untersuchung soll die Arbeitshypothese verifizieren, dass dem Niederländischen als Intermediärsprache für Übersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche im 17. Jh. insgesamt etwa die gleiche Bedeutung zukommt wie dem Französischen. Anhand dieser Ergebnisse soll die Rolle des Niederländischen als Intermediärsprache erforscht werden und der Bedeutung dieser Übersetzungsstrategie als Merkmal der Übersetzungskultur der Frühen Neuzeit nachgegangen werden.
Schreiben im Fach Geschichte ‒ lehren und lernen
Wie kann es gelingen, Studierende der ersten Semester in grundlegende Methoden der Erkenntnisgewinnung und -präsentation sowie Besonderheiten der für das Fach Geschichte charakteristischen Textsorten einzuführen? Diese Frage war Ausgangspunkt und Motivator für das sich an Studierende ab dem 3. Fachsemester gerichtete Textarbeits-Arrangement1, das insbesondere erkenntnistheoretische Grundlagen und sprachliche Mittel des Modalisierens fokussiert und auf das im Historischen Institut der UDE entwickelte Textkompetenzmodul2 für alle Studierenden des 2. Fachsemesters aufbaut.
Gemeinsam ist beiden Formaten, dass sie in enger Zusammenarbeit mit Fachdozierenden, also Historiker*innen, und Sprach- und Schreibberater*innen konzipiert und durchgeführt werden. Dies ermöglicht eine enge Verknüpfung der fachlichen und sprachlich-textlinguistischen Perspektive. Anliegen ist eine rezeptive und produktive Auseinandersetzung mit einem Seminarthema, insbesondere durch eine intensive Verständigung über die Lektüre von Texte, die zur Erschließung der Perspektiven auf den Gegenstand gelesen werden und als Orientierung für die eigene Textproduktion reflektiert werden. Angeleitet und unterstützt durch Textfeedback aus fachlicher und sprachlicher Perspektive sollen die Studierenden darauf vorbereitet werden, im Rahmen des Studiums selbstständig Seminararbeiten zu schreiben.
Anhand von Texten, die für das Thema relevant sind und zugleich für das Fach, genauer die Epoche oder die Sektion, prototypische Textsorten repräsentieren, werden die Fragestellung, die Struktur bzw. Argumentation inklusive Hauptaussagen herausgearbeitet. Der Blick in den Fußnotenapparat ermöglicht ‒ aufgrund der hier angegebenen Quellen und Verweise auf den Forschungsdiskurs ‒ die Thematisierung des vor dem Schreiben liegenden Forschungs- und Erkenntnisprozesses. Das Textarbeits-Arrangement vertieft die aus dem Textkompetenzmodul bekannte Textarbeit mit einer Analyse der zu lesenden Texte hinsichtlich Modalisierungen, insbesondere Modalwörtern wie tatsächlich, wahrscheinlich, vermutlich, bekanntlich. Diese sind Ausgangspunkt für die Reflexion über einerseits geschichtstheoretische Konzepte wie Tatsache und Wahrscheinlichkeit und andererseits Charakteristika geschichtswissenschaftlichen Arbeitens, Denkens sowie der Kommunikation im Fach, v. a. der Formulierung von Aussagen im Rahmen des schriftlich geführten Diskurses.
Das Poster will im Rahmen des Tages der Geisteswissenschaften das Textarbeits-Arrangement als Fortführung der im Textkompetenzmodul angelegten Reflexion geschichtswissenschaftlichen Denkens, Arbeitens und Formulierens als Good-Practice-Beispiel vorstellen.3
1 Zur ausführlichen Beschreibung und Auswertung dieses interdisziplinär (Geschichte/Deutsch als Zweit- und Fremdsprache) angelegten Dissertationsprojektes siehe: Fies, Marlen (2023): Modalisierungen in der geschichtswissenschaftlichen Hochschullehre. Historisches Erzählen, Epistemologie und Modalwörter im Fokus sprachsensibler sozialisatorischer Textarbeit. Münster: Waxmann. (im Druck)
2 Zur ausführlichen Erläuterung des durch Regina Hauses und Ulrike Pospiech entwickelten Konzeptes siehe: Bennemann, Nils / Fies, Marlen / Pospiech, Ulrike / Schneider, Ute (2022): Schreibend schreiben lernen im Fach Geschichte. Das Textkompetenzmodul der Universität Duisburg-Essen. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 73/2022, H. 9/10. S. 564–568.
3 Während die Umsetzung des im Studienverlaufsplan fest verankerten Textkompetenzmoduls jährlich durch Evaluation (ZHQE) ausgewertet und entsprechend optimierend weiterentwickelt werden konnte, wurde das (bislang einmalig durchgeführte) Textarbeits-Arrangement im Rahmen einer Dissertation anhand einer Machbarkeitsstudie untersucht.
Orte der Erinnerung in der niederländisch-deutschen Grenzregion. Vom Trauerort zum Lernort?
Die niederländisch-deutschen Beziehungen haben sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sehr zum Positiven entwickelt. Dennoch spielt die Auseinandersetzung und Aufarbeitung dieser Zeit in beiden Ländern noch immer eine wichtige Rolle, wodurch sich die Erinnerungskulturen der beiden Nachbarländer im Laufe der Zeit stark gewandelt haben. Gerade auch in der niederländisch-deutschen Grenzregion treffen diese doch durchaus unterschiedlichen Erinnerungskulturen auf verschiedenste Weise aufeinander. Es ist zu beobachten, dass solche Begegnungen unterschiedliche Einflüsse auf institutionelle Einrichtungen haben.
Im Rahmen des Forschungsprojektes sollen unterschiedliche Einrichtungen in der Grenzregion untersucht und auf ihren erinnerungskulturellen Gehalt hin analysiert werden. Durch die Untersuchung soll herausgearbeitet werden, welche Aspekte der jeweiligen Erinnerungskulturen erkennbar sind und welche anderen Einflüsse die Entwicklung der Institutionen beeinflusst haben. Anhand der Untersuchungsergebnisse soll evaluiert werden, ob sich die Arbeitshypothese, dass sich die Erinnerungsorte in der niederländisch-deutschen Grenzregion im Laufe der Zeit von Trauerorten zu Lernorten entwickelt haben, verifizieren lässt.
Einen besonderen Schwerpunkt soll im Projekt die Kriegsgräberstätte Ysselsteyn in der niederländischen Provinz Limburg einnehmen. Eine Vorfeldstudie zu diesem Erinnerungsort liegt bereits vor. Auf Ysselsteyn wird im Oktober 2023 ein neues Monument errichtet, das auch in das Gesamtkonzept der Kriegsgräberstätte Ysselsteyn eingefügt werden wird. Zunächst sollen im Forschungsprojekt die eingereichten Konzepte miteinander verglichen werden, um anhand dieser Analyse bereits Rückschlüsse auf die niederländische und deutsche Erinnerungskulturen herausarbeiten zu können. Mithilfe einer qualitativ-empirischen Untersuchung anhand eines Fragebogens sollen im Anschluss Tendenzen und Meinungen der Besucher:innen der Kriegsgräberstätte gesammelt und analysiert werden. Hier soll das Konzept des Monuments mit den tatsächlichen Eindrücken der Besucher:innen abgeglichen werden.
Im Anschluss sollen qualitative Experteninterviews über die Ergebnisse der Untersuchung geführt werden. Mögliche Interviewpartner:innen sind die Mitarbeiter der Kriegsgräberstätte selbst (Jan Heemels & Sjoerd Ewals), der Direktor des Vrijheidsmuseums Groesbeek (Wiel Lenders) oder auch der Rabbi der Gemeinde Ysselsteyn.
In einem abschließenden Fazit soll die Forschungsfrage beantwortet werden, ob sich eine Entwicklung abzeichnet, in der sich Trauerorte hin zu Lernorten entwickeln und welche erinnerungskulturellen Aspekte sich in diesen Entwicklungen widerspiegeln.
Zuwachs fachdidaktischen Wissens angehender Sachunterrichts-Lehrkräfte durch das Praxissemester
Seit der Einführung des Praxissemesters in Lehramtsstudiengänge an deutschen Universitäten liegt wenig Evidenz über dessen Förderlichkeit vor. Um die Förderlichkeit überprüfen zu können, wird das Professionswissen einer Lehrkraft als entscheidender Faktor herangezogen. Das Professionswissen setzt sich aus dem Fachwissen, dem pädagogischen sowie dem fachdidaktischen Wissen zusammen. Seit über 30 Jahren beschäftigt sich die Forschung mit der Erfassung und Darstellung dieser drei zentralen Wissensbereiche für den Lehrer*innenberuf (Baumert und Kunter 2006, Shulman 1986), jedoch nicht im Zusammenhang mit dem Praxissemester.
Im vorliegenden Dissertationsprojekt wird der Fokus auf das fachdidaktische Wissen angehender Lehrkräfte gelegt, da dieses für die Unterrichtsqualität und den Lernerfolg der Lernenden ausschlaggebend (Carlson et al. 2019) ist. Im aktuellen Diskurs wurde fachdidaktisches Wissen hauptsächlich im naturwissenschaftlichen Bereich des Sachunterrichts beforscht (vgl. Cooper et al. 2022, Schiering et al. 2019). Franken (2020) hat in diesem Kontext das fachdidaktische Wissen im Sachunterricht konzeptualisiert. Sie stellte drei Facetten vor, die das fachdidaktische Wissen beschreiben: Schüler*innenvorstellungen, Instruktions- & Vermittlungsstrategien und Wissen über das Curriculum (Franken 2020).
Die Integration einer Vielzahl von Fachdisziplinen (Naturwissenschaften, Technik, Geographie, Sozialwissenschaften und Geschichte) im Schul- sowie Studienfach Sachunterricht ist ausschlaggebend für die Forderung nach einer vielperspektivischen Betrachtungsweise der Lerngegenstände. Durch diese Herangehensweise wird es Kindern unter anderem ermöglicht, vielfältige Bezüge zu einzelnen Lerngegenständen herzustellen, unterschiedliche Sichtweisen auf ausgewählte Inhalte zu erhalten sowie ein produktives Verhältnis zum Lerngegenstand zu entwickeln (Thomas 2015). Die Vielperspektivität, das bedeutet die integrative Betrachtung der einzelnen Perspektiven bezüglich eines Lerngegenstandes, ist zum einen zentraler Gegenstand des Faches Sachunterricht, zum anderen stellt sie jedoch eine Herausforderung für die Erfassung sowie Darstellung des fachdidaktischen Wissens dar.
Um die Entwicklung des fachdidaktischen Wissens im Kontext des Praxissemesters und somit ebenfalls die Förderlichkeit dieser Praxisphase auf die Professionsentwicklung abbilden zu können, wurden schriftliche, vielperspektivische Unterrichtsvignetten entwickelt, validiert und zur Erfassung eingesetzt. Die Stichprobe der halbjährlichen Erhebung richtet sich nach der Anzahl der Teilnehmenden in den Vorund Nachbereitungsveranstaltungen zum Praxissemester im Studienfach Sachunterricht. Die Sachunterrichts-Studierenden bearbeiten vor Eintritt in das Praxissemester und nach Abschluss des Praxissemesters den Vignettentest in Form eines Online-Fragebogens. Auf diese Weise soll die Entwicklung des fachdidaktischen Wissens sowie Begründungszusammenhänge für fachdidaktische Entscheidungen abgebildet werden. Die Pre-Post-Erhebung mittels des Vignetten-Fragebogens ist für 90 Minuten angelegt und wird asynchron von den Studierenden bearbeitet. Die Ergebnisse werden mithilfe einer evaluativen qualitativen Inhaltsanalyse quantifiziert, wodurch eine Rückmeldung an die Studierenden ermöglicht wird. Ergebnisse der ersten Kohorte werden auf dem Tag der Geisterwissenschaften präsentiert.
Literatur:
Baumert, J., & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9 (4): 469–520.
Carlson, J., Daehler, K. R., Alonzo, A. C., Barendsen, E., Berry, A., Borowski, A., Carpendale, J., Kam
Ho Chan, K., Cooper, R., Friedrichsen, P., Gess-Newsome, J., Henze-Rietveld, I., Hume, A., Kirschner,
S., Liepertz, S., Loughran, J., Mavhunga, E., Neumann, K., Nilsson, P. Park, S., Rollnick, M., Sickel,
A., Schneider, R. M., Kjung Suh, J., van Driel, J. und Wilson, C. D. (2019): The Refined Consensus Model of Pedagogical Content Knowledge in Science Education. In: A. Hume, R. Cooper, & A. Borowski (Hg.): Repositioning Pedagogical Content Knowledge in Teachers' Knowledge for Teaching Science. Singapur: Springer Nature: 77-94.
Cooper, R., Fitzgerald, A. und Carpendale, J. (2022): A Reading Group for Science Educators: an Approach for Developing Personal and Collective Pedagogical Content Knowledge in Science Education. In: International Journal of Science and Mathematics Education, 53 (8), https://doi.org/10.1007/s10763- 022-10260-y.
Franken, N. (2020): Kognitive und affektiv-motivationale Kompetenzen von Lehramtsstudierenden der Fächer Biologie, Chemie und Sachunterricht im Kontext des Praxissemesters. Dissertation, Bergische Universität, Wuppertal.
Schiering, D., Sorge, S., Petersen, S. und Neumann, K. (2019): Konstruktion eines qualitativen Niveaumodells im fachdidaktischen Wissen von angehenden Physiklehrkräften. In: Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften, 2019 (25): 211-229.
Shulman, L. S. (1986): Those Who Understand: Knowledge Growth in Teaching. Educational Researcher, 15 (2): 4-14.
Thomas, B. (2015): Vielperspektivischer Sachunterricht. In: Kahlert, J., Fölling-Albers, M., Götz, M.,
Miller, S. und Wittkowske, S. (Hg.): Handbuch Didaktik des Sachunterrichts. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt, 2. Auflage: 249-256.